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Fußball

 

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Das Super-League-Projekt ist noch keine 48 Stunden alt, und schon gehen die ersten Klubs wieder von Bord.
 

Schauen wir uns einige der „Zwölf plus Drei“ etwas näher an. Um besser zu verstehen, was aktuell passiert. „Plus Drei“ – das sind der FC Bayern, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain. Diese Klubs hätten die Initiatoren des Projekts Super League auch gerne dabei gehabt.

Aber die Bayern profilierten sich als entschiedener Gegner der Super League, als Verfechter der Integrität des gegenwärtigen Systems und von Fan-Interessen. Jan-Christian Müller schreibt in der Frankfurter Rundschau: „Wahr ist aber auch: Der FC Bayern gehört zu den Treibern dessen, was ab 2024 die grotesk aufgeplusterte Champions League ausmachen soll.“ Die jüngste Reform der Champions League markiert einen weiteren Schritt in Richtung einer europäischen Super League. Die „Zwölf“ wollten es nur schneller und wollten sich den letzten Zwischenschritt sparen. Die „Bayern-Fans gegen Super League“ posten: „Die heutige Stellungnahme des Vereins erteilt immerhin der Super League eine klare Absage, was uns natürlich sehr freut. Allerdings kommt dabei zu kurz, dass auch die gestern verabschiedete Reform der Champions League dieselben Ziele verfolgt. Mehr Spiele bedeuten mehr garantierte Einnahmen und über die zusätzlichen Startplätze gibt es eine Absicherung für die großen und erfolgreichen Vereine, immer am Wettbewerb teilnehmen zu können, auch wenn sie sich sportlich nicht qualifiziert haben. Wir sind genauso gegen diese Reform wie gegen eine Super League!“

Nur: Dank des Vorpreschens der Zwölf redet kaum noch jemand über diese Reform. Sie erscheint nun als das kleinere Übel. Aber bekanntlich ist das kleinere Übel nur eine Zwischenetappe zum großen Übel. Dass das Ganze initiiert wurde, um die Champions-League-Reform durchzudrücken, halte ich aber für Unsinn. Diese wäre auch so durchgegangen. Ein großes Problem war sie nur für die aktive Fanszene. Im Kontext der Super League äußerten nur wenige Klubs auch eine Ablehnung der Reform – so Werder Bremen. Die Zwölf lieferten lediglich ein weiteres Verkaufsargument und sorgten dafür, dass Rummenigge, Watzke und Ceferin nun als Retter des Fußballs erscheinen.
 

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Bei den Chelsea-Fans kamen die Super-League-Pläne nicht gut an: Proteste im Vorfeld der Ligapartie gegen Brighton am 20. April 2021. (Foto: imago images)


Für den FC Bayern mag bei ihrer Ablehnung der Super League auch eine Rolle spielen, dass Deutschland 2024 die EM austragen möchte. Man würde von Karl-Heinz Rummenigge und Aki Watzke gerne wissen, wann sie vom Plan der Zwölf erstmals erfuhren. Bestimmt nicht erst am letzten Sonntag. Aber wäre man schon vorher öffentlich auf Gegenkurs gegangen, wäre die Inszenierung nur halb so schön ausgefallen. Außerdem wissen die Bayern, dass sie in der Champions League ohnehin stets dabei sein werden. Anders als der FC Liverpool, da die Leistungsdichte in der Spitze der Premier League größer ist als in der Bundesliga. In der Premier League kann der Einstieg eines neuen Investors, z.B. der Saudis bei Newcastle United, zu neuen Konkurrenten im Kampf um die Plätze am europäischen Fleischtopf führen. Die Bundesliga hatte diesbezüglich bislang nur RB Leipzig zu bieten. Hoffenheim ist ein Projekt für das Mittelfeld der Tabelle.

PSG gehört dem katarischen Staatsfonds. Paris ist eigentlich der Kandidat für ein Super-League-Projekt schlechthin. Aber Katar will es sich mit der Fifa und der Uefa nicht verderben – nicht vor der WM im Dezember 2022. Für Katars Politik des Sportswashings ist die WM wichtiger als die Super League. Ließe sich PSG auf die Super League ein, würde dies in Europa den Unmut über die WM in Katar weiter erhöhen. Und gesetzt den Fall, Fifa und Uefa gelänge es, die Spieler der Super-League-Klubs von den großen Turnieren auszuschließen, würde dies den sportlichen Wert der WM mindern.

In England sind Manchester City und Chelsea als erste von Bord gegangen. Manchester City ist ein Sportswashing-Projekt der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Abu Dhabi United Group gehören 86,21 Prozent. Den Besitzern geht es nicht um das Erwirtschaften von Profiten, zumindest nicht in erster Linie. Ähnlich gestaltet es sich bei Chelsea. Als Roman Abramowitsch 2003 Chelsea zum Gesamtpreis von 140 Mio. Pfund erwarb, ging es ihm nicht darum, sein Portefeuille mit einem weiteren Profite versprechenden Unternehmen zu füllen. „Es ist die billigste Versicherungspolice der Geschichte“, kommentierte ein anderer Oligarch den Kauf. Abramowitsch begann gleichzeitig mit der Veräußerung seiner Firmenbeteiligungen – unter dem Eindruck des Verfahrens gegen den Putin-kritischen Oligarchen Michail Chordowski. Seine Anteile an der Luftfahrtgesellschaft Aeroflot verkaufte er an den russischen Staat, die Mehrheit seines Ölkonzerns Sibneft ging an den halbstaatlichen Gaskonzern Gazprom. Nachdem Abramowitsch zunächst das Licht der Öffentlichkeit scheute, machte er sich nun mit Hilfe des Fußballs im Westen sichtbar. Die Abramowitsch-Biografen Dominic Midgleys und Chris Hutchins schrieben 2005: „Abramowitsch weiß, dass sich die russischen Behörden trotz aller Gefälligkeiten, die er Präsident Putin erwiesen hat, jederzeit gegen ihn wenden können. Durch den Kauf von Chelsea wurde der Mann, der als unbekanntester Milliardär der Welt galt, mit einem Schlag zum Prominenten ersten Ranges. Welcher Premierminister wäre mutig genug, ihm kein Asyl zu gewähren, wenn es zu einer Attacke durch Putin käme?“

Die Besitzer von PSG, Manchester City und Chelsea sind also keine Sportunternehmer – im Gegensatz zu den US-amerikanischen Eigentümern von Manchester United und dem FC Liverpool, der Glazer-Familie und der Fenway Sports Group (FSG).

Beide sind bestens vertraut mit dem System der geschlossenen Ligen des US-Sports und gedachten dieses auch in Europa einzuführen. Der Super League wird vorgeworfen, sie schaffe eine geschlossene Gesellschaft und würde damit die Konkurrenz aushebeln. Dies ist nicht ganz richtig. Es geht ihr auch um die Verschärfung der Konkurrenz – allerdings innerhalb einer geschlossenen Gesellschaft. Genauer: Einer halbwegs geschlossenen Gesellschaft, denn „nur“ 15 der 20 Mannschaften sind permanent dabei und müssen sich keine Sorgen machen, in der folgenden Saison sportlich und finanziell in die Röhre zu schauen. Eine kleine Konzession an den europäischen Wettbewerbsgedanken. In einem geschlossenen System lassen sich Dinge wie eine Gehaltsobergrenze eher durchsetzen. Glazer und die FSG wollen Gewinne erwirtschaften und das Rattenrennen eindämmen, das für viele Klubs in Enttäuschung und Überfinanzierung mündet. Das aktuelle System ist hierfür erheblich anfälliger. Borussia Dortmund verpasst die Champions League, wodurch dem Klub erhebliche Einnahmen entgehen. In der folgenden Saison wird trotzdem mächtig investiert – damit das nicht ein weiteres Mal passiert. Passiert es ein weiteres Mal, steht der Verein vor einem Problem.

Wenn Jürgen Klopp sagt, er habe die Besitzer des FC Liverpool als „ehrlich, vernünftig und seriös“ kennengerlernt, stimmt das vermutlich. Sie sind jedenfalls erheblich seriöser als ein Florentino Pérez oder Andrea Agnelli. Die Transferpolitik der FSG unterscheidet sich deutlich von der Real Madrids. Und die FSG-Leute sind auch seriöser als einige Funktionäre der Fifa und Uefa. Allerdings haben sie die Stimmung ihrer Fans und Spieler falsch eingeschätzt. In den USA wäre ihr von einer US-Großbank finanziertes Projekt auf null Widerstand gestoßen. Für Europa kommt es noch zu früh.

Zur Fehleinschätzung hat vermutlich auch der Blick auf die Fans (bzw. die Märkte …) außerhalb Europas beigetragen. Die globale Fan-Gemeinde des FC Liverpool und von Manchester United ist größer als deren englische und britische. Liverpool und Manchester stellen nur die Bühne für den globalen Auftritt. Aber ein bisschen Macht hat der lokale Supporter offensichtlich doch noch. Seine Proteste können das Ansehen des Unternehmen beschädigen – mit Auswirkungen über die Grenzen des Standorts hinaus.

Mittlerweile haben alle englischen Klubs, also auch Manchester United und der FC Liverpool, ihre Teilnahme an der Super League zurückgezogen. Ein bisschen schade, denn das Thema bleibt damit weiterhin auf dem Tisch und wird uns nerven. Das Projekt der Zwölf ist nun erst einmal tot – aber nicht die Super League. Sie dürfte uns schon bald in einem neuen Gewand begegnen.

 

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