Direkt zum Inhalt
Fußball

 

ball

Freiburg, Köln und Bielefeld: Mit welchen Konzepten können sich die „Kleinen“ in der Bundesliga halten?

Der SC Freiburg liegt nach 11 von 34 Spieltagen auf Platz 3. Eine Platzierung, die für die Teilnahme an der Champions League qualifizieren würde. Der Abstand zu Platz 5 (Europa League) beträgt vier Punkte. Zum Platz 7, weder Champions League noch Europa League, sind es 5 Zähler.

Für einige Medien eine ausreichende Basis, um die Breisgauer bereits gegen Real Madrid und Chelsea spielen zu sehen. So setzt man die Fallhöhe hoch. Wenn’s dann am Ende nur zu Platz 9 reicht, angesichts des finanziellen Kräfteverhältnisses in der Liga ein respektables Ergebnis, war es eine enttäuschende Saison.

In der Saison 2019/20 lag der SCF nach 11 Spielen auf Platz 4 – mit 21 Punkten, also einem Punkt weniger als Aktuell. Am Ende wurde es Platz 8. Das war die viertbeste Platzierung des SCF in seiner Erstligageschichte. Besser war er nur in den Spielzeiten 1994/95 (Dritter!), 2012/13 (Fünfter) und 2016/17 (Siebter). Aber hier muss man berücksichtigen: Seit 1994/95 ist die Kluft zwischen den „Kleinen“ und den „Großen“ größer geworden – nicht zuletzt bedingt durch den Einfluss der Gelder aus der Champions League.
 

Der Freiburger Weg

Viel interessanter als die aktuelle Platzierung ist die Frage, wie die Freiburger es geschafft haben, sich in der ersten Liga einzunisten. Der Klub bewegt und entwickelt sich seit Jahren innerhalb stabiler Leitplanken. Die Möglichkeit eines Abstiegs wird nicht ausgeschlossen, als Trainer darf man auch mal absteigen. So konnte man sich Schritt für Schritt nach oben vorarbeiten. Beim Spieleretat und Umsatz gehört der SCF heute zu den Großen unter den Kleinen.

Weil man sich innerhalb stabiler Leitplanken bewegt, ist es dem SCF etwas gelungen, woran andere Vereine immer wieder scheitern: die Herstellung einer Balance zwischen sportlichem Erfolg und wirtschaftlicher Vernunft. Gewöhnlich wird ein Sportdirektor nicht für wirtschaftliche Unvernunft kritisiert, sondern für eine zurückhaltende Transferpolitik.

In Freiburg wird die Balance dadurch erleichtert, dass Störgeräusche kaum zuhören sind – jedenfalls verglichen mit den Standorten großer Traditionsvereine. Kaum jemand ruft nach Europa. Niemand kann die Verantwortlichen damit nerven, dass man noch vor zehn Jahren regelmäßig in der Champions League spielte. Musste der SCF die Liga verlassen, was seit dem Bundesligaaufstieg 1992/93 viermal der Fall war, war das kein Weltuntergang und Auslöser eines radikalen Philosophiewechsels. (Der legendäre Volker Finke stieg dreimal ab, Christian Streich einmal.)
 

Ergebnis? Ja! Aber auch den Weg dort hin?

Robin Dutt, der die Breisgauer von 2007 bis 2011 trainierte (er wurde nicht gefeuert, sondern wollte nach Leverkusen), erzählte vor einiger Zeit im Interview mit Spox.com: „Wenn andere Klubs lobend über Freiburg sprechen, dann wollen sie das Freiburger Ergebnis. Sie wollen aber nicht den Weg gehen, um dorthin zu gelangen. Dieses Ergebnis ist nämlich nicht vom Himmel gefallen, der Grundstein dafür wurde vor langer Zeit gelegt. Man hat eine Kultur aufgebaut, die auch die Fans mitnimmt, weil sie die Arbeit dort mittragen. Das an anderen Standorten nachzubauen, dieser Zug ist für die meisten Klubs abgefahren. Das ginge nur, wenn man Verantwortliche hat, die die Widerstände der Öffentlichkeit überwinden können – und zwar nicht über ein paar Spieltage hinweg, sondern über zwei, drei Jahre. (…) Es geht darum, dass man die Fehler analysiert, die man im vorherigen Zyklus gemacht hat, um im nächsten Zyklus besser zu sein. Und der geht über mindestens zwei, drei Jahre. Diese Zyklen werden kaum noch irgendwo gelebt. Deshalb ist ein Verein wie der SC Freiburg so erfolgreich, da ist das gelebte Kultur. Wenn sie absteigen, bleibt alles genauso bestehen. Man setzt sich zusammen, analysiert die Fehler und packt es wieder an. Die Mehrzahl der Vereine setzt aber lieber den Trainer vor die Tür, es kommt der nächste und der macht dann halt andere Fehler. Der Fußball ist zu einem Managerspiel geworden und der Beruf des Trainers hat in diesem Managerspiel weniger Wichtigkeit.“
 

Traditionsvereine und Störgeräusche

Frank Hellmann schreibt in der Frankfurter Rundschau in einem sehr informativen Beitrag zur Freiburger Entwicklung: „Wenn Vorstände aus Gelsenkirchen, Hamburg oder Bremen noch was lernen wollen, sollten sie mal ein Praktikum auf der Freiburger Geschäftsstelle machen.“

Ein Problem wird aber bleiben. Gelsenkirchen, Hamburg und Bremen sind andere Standorte als Freiburg. Der Ballast der Geschichte ist größer, die Erwartungen von Fans, Umfeld und Medien sind es ebenfalls. Jonas Boldt, Sportchef des Hamburger SV, erzählt im Gespräch mit dem Magazin 11 Freunde: „Mein Eindruck ist, dass früher mehr darauf geschaut wurde, wer was gut gemacht hat, etwas entwickelt und als Vorbild dienen kann. Inzwischen geht es zunehmend darum, wer der Schuldige ist. (…) Dass es keine Garantie auf Erfolg gibt, akzeptierten die Menschen heute immer weniger.“ Bei Traditionsvereinen sind die Störgeräusche deutlich lauter als bei anderen Vereinen. Mit manchmal negativen Folgen für den Kurs des Vereins. Jonas Boldt: „Wo viele mitreden, besteht immer die Gefahr, dass die Emotion in Entscheidungen reinspielt und die Führung vom Weg abkommt.“ Boldt rät: „Die Kunst ist, bei sich zu bleiben, egal, wie es läuft. Nicht alles feiern und überhöhen, wenn es gut läuft, und nicht alles für schlecht halten, wenn nicht.“ Leichter gesagt als getan.
 

Steffen Baumgart
Steffen Baumgart: "Jetzt spielen die Jungs guten, mutigen Fußball. Und dann liegst du gegen Union, das international spielt, 1:2 hinten und ich hab' das Gefühl, dass das Stadion nicht weiß, ob es jubeln oder weinen soll." (Foto: imago-images)

 

Mutiger Fußball in einer Liga der Angst

Ein Blick nach Köln, wo Steffen Baumgart die Erwartungshaltung der Fans kritisierte. Der FC musste sich gegen Union mit einem Remis (2:2) begnügen. Dem zwischenzeitlichen 2:1 für die Köpenicker ging ein Fehler im Aufbauspiel der Kölner voraus.

Die Fans reagierten mit Unmut. Steffen Baumgart: „Wir machen diesen Fehler, weil wir den Mut haben, hinten rauszuspielen. Wenn ich mich in den letzten vier Jahren in Köln mit Leuten unterhalten habe, ging es immer darum, dass hier kein guter Fußball gespielt wird. Jetzt spielen die Jungs guten, mutigen Fußball. Und dann liegst du gegen Union, das international spielt, 1:2 hinten und ich hab' das Gefühl, dass das Stadion nicht weiß, ob es jubeln oder weinen soll.“

Stimmung kam erst wieder auf, nachdem Modeste den Ausgleich erzielt hatte. Baumgart: „Warum kann ich diese Stimmung nicht bei 1:2-Rückstand machen, wenn ich bedenke, gegen wen wir gespielt haben?“ Dass ein Trainer in einer von Angst beherrschten Liga mutigen Fußball spielen lässt, finde ich richtig gut. Dass es dabei auch zu Fehlern kommt, weil man nicht den Kader des FC Bayern hat, ist logisch. Ob dieser Fußball zur DNA des Klubs wird, dürfte von den Ergebnissen abhängen. Bleiben die Ergebnisse aus, kommt ein neuer Trainer, der einen anderen Fußball spielen lässt, wofür es eines anderen Kaders bedarf und so weiter und sofort.
 

Last and least: Bielefeld

Im letzten Winter trennte sich die Arminia vom Aufstiegstrainer Uwe Neuhaus. Zumindest ein Grund dafür waren unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der zukünftigen Orientierung. Sportchef Samir Arabi will den Verein zu einem „Ausbildungsverein“ umbauen. Verkürzt gesagt: zu einem ostwestfälischen Freiburg. Man hört, hierzu würde auch die Rückkehr zu einer U21/U23-Manschaft gehören.

Für Neuhaus kam Frank Kramer, der in Sachen Ausbildung über reichhaltige Erfahrungen verfügt. Bei Greuther Fürth und in Hoffenheim trainierte er die „Zweite“, bei RB Salzburg die U19, beim DFB U18, U19, U20. Aber ist Kramer ein Volker Finke oder Christian Streich?

Jan-Hendrik Grotevent schreibt in seinem Arminia-Blog www.rundumbeobachter.de: „Was heißt das nun, wenn Arminia auf Freiburg macht? Dass es im Falle von Frank Kramer auch wieder in die 2. Liga geht. Die Hoffnung ist, dass der Ausbildungsverein dann auch Früchte trägt, unabhängig davon, wie lange Kramer und sein Kader brauchen, um das Optimum bis Maximum aus sich zu holen und Punkte zu machen. (…) Für uns Fans ist es im Moment natürlich alles andere als nett. Wir werden uns umgewöhnen müssen. Bisher kennen wir Arminia nur als einen Club, der den Stall nicht reparieren kann, weil er mit Hühnerfangen beschäftigt ist. (…) Nun müssen wir uns einstellen auf eine Arminia, die ein neues, noch nicht da gewesenes sportliches Konzept hat und das umsetzt. Das heißt, auch Durststrecken und Abstiege durchzustehen, um später Früchte ernten zu können. (…) Ich persönlich würde mich gerne daran gewöhnen, eine Arminia mit einer sportlichen Idee zu unterstützen im Bewusstsein, dass diese Idee sich auszahlt. Einer Arminia, die nicht nur Hühner fängt, sondern einen intakten Stall hat.“

Unabhängig von der Personalie Kramer und der aktuellen Tabellensituation: Einiges spricht dafür, dass der von Samir Arabi eingeschlagene Weg nicht nur richtig ist, sondern mittelfristig auch den gewünschten Erfolg bringt – wirtschaftlich wie sportlich. Arminia genießt die Unterstützung eines soliden Bündnisses lokaler und regionaler Unternehmen (Bündnis Ostwestfalen), die Zugehörigkeit zur ersten Liga wird nicht als eine Selbstverständlichkeit erachtet, im Europapokal war man auch noch nie. Von den letzten 30 Jahren verbrachte Arminia 11 in der 1. Liga, 13 in der 2. Liga und 6 in der 3. Liga. Und die Bilanz für die letzten zehn Jahre: 2 Spielzeiten 1. Liga, 6 in der 2. Liga, 2 in der 3. Liga. Störgeräusche sind hier leiser und weniger heftig als an einigen anderen Standorten.

 

TAGS