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"MÄDELs - rettet unsre FUSSBALL-EHRE" flehte die BILD-Zeitung vor dem ersten Auftritt der deutschen Frauen bei der WM in Australien/Neuseeland. Weiter hieß es: „Nach den Blamagen unsrer Männer nimmt die Welt den deutschen Fußball nicht mehr ernst. Die Frauen müssen es richten....und uns wieder so glücklich machen wie bei der tollen EM vergangenes Jahr, als sie bis ins Finale kamen".

Dass die Welt den deutschen Fußball nicht mehr ernst nimmt, ist vermutlich vor allem ein männliches Problem. Die Frauen müssen gar nichts richten. Und schon gar nicht müssen sie die Männer in diesem Lande glücklich machen.

Vergleiche und Aufrechnungen mit dem Fußball der Männer sind für den Fußball der Frauen in der Regel eher kontraproduktiv. Selbst dann, wenn sie gut gemeint sind.

Der Fußball der Frauen ist in den letzten Jahren erheblich besser geworden. Bei der WM 2011 war ich noch ziemlich ernüchtert. Als das Turnier angepfiffen wurde, hatte mensch noch das Champions League-Finale zwischen dem FC Barcelona und Manchester United im Kopf. Für den Konsum der WM der Frauen war dies schlecht.

Die EM 2022 habe ich mit wesentlich mehr Enthusiasmus verfolgt als die WM der Männer 2018. Deren WM 2022 habe ich mir komplett erspart – aber aus Gründen, die mit der Qualität des Fußballs nichts zu tun hatten.

Früher hörte mensch immer wieder, dass die Frauen eine technisch besseren Fußballs spielen würde. Was selbst in der Zeit nicht zutraf, als die Männer Rumpelfußball aufführten.  

2003 bemühte sich der AC Perugia um die Dienste von Birgit Prinz. Die „Weltfußballerin des Jahres“ war klug genug, AC-Präsident Luciano Gaucci eine Absage zu erteilen. Obwohl dieser mit einer siebenstelligen Summe gelockt hatte. Prinz: „Es sind in allererster Linie sportliche Gründe, die mich nach langem Überlegen zu dieser Entscheidung geführt haben. Prinz sah die Gefahr, in den kommenden Monaten in einer Männermannschaft nur noch wenige Minuten oder gar nicht eingesetzt zu werden. Eine Gefahr, die extrem realistisch war.

Der „Fußball der Frauen“ konnte froh darüber sein, dass ihm ein „Offenbarungseid“ erspart blieb. Ein „Offenbarungseid“ aber nur deshalb, weil in vielen (männlichen) Köpfe noch immer dieser Zwang zum Vergleich war (und auch noch ist).

Mittlerweile hat mensch sich beim Vergleichen auf andere Themen verlegt. So heißt es, die Frauen würden sich nicht so theatralisch fallen lassen und minutenlag auf dem Rasen herumwälzen wie die Männer. Stimmt. Stimmt aktuell. Aber je professionelle der Fußball der Frauen wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir solche Szenen auch in ihrem Fußball sehen werden.

Und je schneller (und damit auch besser) das Spiel der Frauen wird, desto häufiger werden wir Fouls erleben. Beim Champions League-Finale zwischen Manchester City und Inter Mailand wurden 28 Fouls geahndet - beim WM-Spiel zwischen Deutschland und Kolumbien am Samstag waren 25, also nur drei weniger.

By the way: Um Zeitschinderei und Schauspielerei beim Fußball der Männer auszumerzen und beim Fußball der Frauen schon im Ansatz zu verhindern, bedarf es lediglich eines anderen Umgangs damit: Jede Sekunde der Zeitverzögerung nachspielen lassen. (Im Übrigen auch den Torjubel: Wenn ein Team meint, es müsse ein Tor in der 57. Minute in einer Ausgiebigkeit feiern, als ob soeben der Schlusspfiff erklungen sei, dann wird diese Zeit drangehängt. Eventuell sogar noch mit einer Minute drauf.) Und was spricht dagegen, sofort die gelbe Karte zu zücken, wenn ein Spieler nach einer Freistoßentscheidung für den Gegner den Ball wegtritt?

Ich teile die Kritik am Fußball der Männer. Aber es ist nicht die Aufgabe der Frauen, uns Männer mit einem besseren Fußball zu beglücken. Und manche Kritik ist etwas kurz gesprungen, steht mit der Wahrheit auf dem Kriegsfuß, schürt Erwartungen, die dann am Ende enttäuscht werden. Schuld sie dann die Frauen…

Durchaus möglich, dass wir irgendwann beklagen, dass der Fußball der Frauen leider nichts anderes sei als das Spiel der Männer.

Natürlich wünsche auch ich mir, dass der Fußball der Frauen im Prozess seiner Professionalisierung und Kommerzialisierung aus den Erfahrungen mit dem Fußball der Männer lernt und gewisse Fehlentwicklungen vermeidet. Das betrifft auch Themen wie die Verteilung der TV-Gelder. Aktuell freue ich mich aber vor allem darüber, dass es im Fußball der Frauen diese Professionalisierung und Kommerzialisierung gibt, die mehr Geld in das Spiel spült. Wodurch das das Spiel immer besser wird, da nun mehr Spielerinnen dazu in der Lage sind, mit dem Spiel ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wenn mensch sich voll auf den Sport konzentrieren darf, erhöht dies die Qualität der Darbietung.

Vor allem freue ich mich, dass den Fußballerinnen endlich die Aufmerksamkeit gebührt, die sie verdienen. Auch eine Folge von Kommerzialisierung

 

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